Barckhaus Blog - 24.05.2023
Update Bankrecht Mai 2023
Barckhaus -Partner Dr. Jochen Eichhorn zu den „Haftungsrisiken von Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden
© Barckhaus Rechtsanwälte
Aufsichtsrechtliche Pflicht zur Erfragung der Nachhaltigkeitspräferenzen
Es besteht nunmehr die aufsichtsrechtliche Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die (potenziellen) Kunden über ihre Kundeberater zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen und diese dann bei der Erbringung der jeweiligen Wertpapierdienstleistung auch zu berücksichtigten. Die Nachhaltigkeitspräferenzen ergänzen somit die bislang zu berücksichtigenden Punkte, nämlich die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, seine Risikobereitschaft, seine Verlusttragfähigkeit und seine Anlagedauer.
Abgefragt werden muss folgendes:
- Welcher Mindestanteil soll in ein ökologisches Investment gemäß der EU-Taxonomie- Verordnung investiert werden?
- Welcher Mindestanteil soll in eine nachhaltige Investition nach der EU-Offenlegungsverordnung investiert werden?
- Welche nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (sog. Principal Adverse Impacts, PAI) sollen berücksichtigt werden.(4)
Unterlässt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese Abfrage, dann verstößt es gegen das Aufsichtsrecht. Dies allein führt nicht unbedingt zu einer zivilrechtlichen Haftung. Denn grundsätzlich gilt weiterhin, dass Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben des WpHG nicht ohne Weiteres zivilrechtliche Haftungsansprüche begründen. Allerdings hatte das oberste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), schon bei Verstößen gegen die früheren aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG einen zivilrechtlichen Anspruch dann anerkannt, wenn hinsichtlich die jeweilige aufsichtsrechtliche Vorgabe „als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips“ gesehen werden konnte. Dies wurde damit begründet, der Kunde könne dann davon ausgehen, dass der Vertragspartner (hier das Wertpapierdienstleistungsunternehmen) die tragenden Grundprinzipien des Aufsichtsrechts beachtet.
Hier wird sich deshalb die Frage stellen, ob die Erfragung der Nachhaltigkeitspräferenzen als ein solches allgemeines Rechtsprinzip angesehen werden kann. Dies mag derzeit noch nicht Fall sein. Es kann aber aus Gründen der äußersten Vorsicht nicht ausgeschlossen werden, dass der BGH ein solches allgemeines Rechtsprinzip zukünftig auch hier annehmen wird, insbesondere auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Nachhaltigkeit. Um Probleme mit der Aufsicht zu vermeiden und um Haftungsansprüchen aus dem Wege zu gehen, sollte man den Kunden deshalb unbedingt nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen fragen.
Haftungsrelevante Fehler bei der Erfragung der Nachhaltigkeitspräferenzen
Äußert der Kunde daraufhin ausdrücklich, dass er keine Nachhaltigkeitspräferenz hat, dann entfalten diese keine Wirkung für die in der Folge erbrachte Wertpapierdienstleistung und eine Haftung ist insoweit ausgeschlossen. Das Wertpapierdienstleitungsunternehmen kann dann dennoch ein nachhaltiges Finanzinstrument berücksichtigen, wenn im Übrigen die Voraussetzungen der anleger- und anlagegerechten Beratung vorliegen bzw. im Falle der Vermögensverwaltung die entsprechenden Anlagerichtlinien berücksichtigt werden.
Anders ist das aber dann, wenn der Kunde ausdrücklich wünscht, in eine nicht nachhaltige Anlage zu investieren. Wenn ein solcher Kundenwunsch nicht beachtet wird, kann eine Haftung eintreten.
Entscheidet sich der Kunde hingegen für die Berücksichtigung bestimmter Nachhaltigkeitspräferenzen, dann werden diese im Falle einer nachfolgenden Anlageberatung zum Inhalt des nach herrschender Auffassung sodann konkludent abgeschlossenen Anlageberatungsvertrags. Kommt es in der Folge zum Abschluss eine Vermögensverwaltungsvertrages, dann muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen darauf hinwirken, dass diese Nachhaltigkeitspräferenzen in diesem Vertrag berücksichtigt werden. Lässt sich der Kunde dann auf einen entsprechend formulierten Vermögensverwaltungsvertrag ein, dann werden die Nachhaltigkeitspräferenzen auch bei der Vermögensverwaltung zivilrechtlich verbindlich.
Folgendes sollte in Hinblick auf die Nachhaltigkeitspräferenzen noch berücksichtigt
werden:
Der Kunde sollte auch darüber informiert werden, dass die Berücksichtigung der von
ihm genannten Nachhaltigkeitspräferenzen möglicherweise nachteilige Auswirkungen haben können, z. B. hinsichtlich der Rendite oder des Risikoprofils der jeweiligen Anlage.
Mit dem Kunden sollte eine Abstimmung über sein Verständnis von Nachhaltigkeit vorgenommen werden. So kann man keine Kapitalanlage in Atomkraft und fossiles Gas berücksichtigen, wenn der Kunde Atomkraft ausdrücklich aus den Nachhaltigkeitspräferenzen ausgeklammert hat. Dies gilt, obwohl Atomkraft und fossiles Gas seit dem 1.1.2023 als Taxonomie-konforme Kapitalanlagen (Sie erinnern den Konflikt innerhalb der EU) und damit aufsichtsrechtlich als nachhaltig gelten. Für die Beratung ist das aber nur dann maßgeblich, wenn sich der Kunde bei der Erfragung seiner Nachhaltigkeitspräferenzen mit ökologischen Investments gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung einverstanden erklärt nicht individuell bestimmte Produkte aus der bestehenden Klassifizierung ausgenommen hat.
Ergeben sich bei der Angabe der Nachhaltigkeitspräferenzen Widersprüche zu den anderen Anlagezielen des Kunden, so z. B. den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden, seiner Risikobereitschaft, seiner Verlusttragfähigkeit und seiner Anlagedauer, ist der Kunde auch darüber aufzuklären.
Entspricht keines der Anlageprodukte, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen anbietet, den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden, so ist er auch darüber zu informieren. Die Erbringung der Wertpapierdienstleistung ist dann nur möglich, wenn der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechend ändert.(5)
Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat die Pflicht zur sorgfältigen, sachkundigen und kritischen Prüfung der im Rahmen der Anlageberatung empfohlenen bzw. bei der Vermögensverwaltung eingesetzten Finanzinstrumente. Dazu gehört nunmehr auch die Prüfung der konkreten Nachhaltigkeitskriterien. Hilfreich mag sein, dass inzwischen von dem jeweiligen Emittenten für nahezu jedes Finanzinstrument Angaben zur Nachhaltigkeit gemacht werden müssen. Ist ein Finanzinstrument als nachhaltigkeitskonform ausgewiesen, wird man sich darauf grundsätzlich verlassen können. Dennoch muss das Prospektmaterial mit dem banküblichem und kritischen Sachverstand geprüft werden. Wenn Unrichtigkeiten oder Widersprüche auffallen, ist der Kunde darüber aufzuklären. Prüfungsmaßstab ist dabei, dass man die Veröffentlichungen in der einschlägigen Wirtschaftspresse zu berücksichtigen hat.
Erfolgt all dies nicht, dann kann es zu einer zivilrechtlichen Haftung Wertpapierdienstleistungsunternehmens kommen.
Weitere Voraussetzungen für eine Haftung
Eine Haftung setzt allerdings neben der Pflichtverletzung voraus, dass diese zum Eintritt eines Schadens bei dem Kunden führt.
Werden die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden nicht abgefragt oder werden dem Kunden im Rahmen einer Anlageberatung Finanzinstrumente empfohlen, die seinen Nachhaltigkeitspräferenzen nicht entsprechen, haftet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur dann, wenn der Kunde das Finanzinstrument nachweislich nicht erworben hätte, sofern er gewusst hätte, dass dieses seinen Nachhaltigkeitspräferenzen nicht entspricht.
Bei einer fehlerhaften Anlageberatung geht der BGH zugunsten des Kunden von der sog. „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ aus. Das Gericht unterstellt dann, dass sich der Anleger bei korrekter Beratung das fehlerhaft empfohlene Finanzinstrument nicht erworben hätte. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann diese Vermutung allerdings widerlegen, wenn es beweisen kann, dass der Kunde die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte.
Im Falle der Vermögensverwaltung stellt das nicht mit den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden, wie sie im Vermögenverwaltungsvertrag vereinbart wurden, übereinstimmende Finanzinstrument grundsätzlich einen Mangel dar.
In beiden Fällen kommt es nun noch darauf an, ob ein Schaden bei dem Kunden dadurch eingetreten ist, dass er Eigentümer eines Finanzinstrumentes geworden ist, das nicht seinen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht. Das wird in erster Linie nur dann der Fall sein, wenn sich der Wert diese Finanzinstrumentes negativ zum Einstandspreis entwickelt hat. Das Geschäft wird dann abzuwickeln und der Kunde für diese Verlust zu entschädigen sein. Es kann dann zu empfindlichen Schäden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens kommen.
Aber auch ohne einen Wertverfall des Finanzinstruments kann der Erwerb eines nicht mit den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden konformen Finanzinstruments einen zumindest subjektiven Schaden des Kunden begründen. Dieser ist dann ebenfalls durch Rückabwicklung des Geschäftes auszugleichen. In der Regel führt dies dann allerdings nicht zu einem monetären Schaden des Wertpapierdienstleistungsinstitutes, sieht man einmal von dem operationellen Aufwand der Rückabwicklung ab.
Fazit
Die Haftungsgefahren bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen haben sich durch die Erweiterung der zu berücksichtigenden Kriterien auf Nachhaltigkeitspräferenzen nochmals verschärft. Zur Vermeidung einer zivilrechtlichen Haftung kommt es entscheidend darauf an, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen das individuelle Verständnis des Kunden vom Begriff der Nachhaltigkeit und seine Nachhaltigkeitspräferenzen hinreichend erfasst und bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistung berücksichtigt.
Hinweis:
Dieses Update Bankrecht beinhaltet keinen Rechtsrat. Die enthaltenen Informationen sind sorgfältig recherchiert, geben die Rechtsprechung und Rechtsentwicklung jedoch nur auszugsweise wieder und können eine den Besonderheiten des einzelnen Sachverhalts gerecht werdende individuelle Beratung nicht ersetzen
Wenn Sie Fragen zu diesem Update Bankrecht haben oder weitere Informationen wünschen, wenden Sie sich bitte an Rechtsanwalt Dr. Jochen Eichhorn bei BARCKHAUS.
Verweise
(1) Artikel 2 Nummer 7 der Delegierten Verordnung EU 2017/565; siehe hierzu auch das BARCKHAUS Update Bankrecht von September 2022.
(2) Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, nach § 53 Absatz 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen und Wertpapierinstitute im
Sinne des § 2 Absatz 1 WpIG.
(3) § 64 Abs. 3 Satz 2 und 3 WpHG i. V. m. Art. 54 Abs. 2 a) Delegierte Verordnung EU 2017/565.
(4) Art. 2 Nr. 7 DelVO (EU) 2017/565 neue Fassung unter Berücksichtigung des Art. 1 Nr. 1 DelVO (EU) 2021/1253
(5) Art. 54 Abs. 10 DelVO (EU) 2017/565 nF in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 lit. d DelVO (EU) 2021/1253
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Dr. Jochen Eichhorn
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