Barckhaus Blog - 09.05.2023

Darf der das? Barckhaus-Partner Dr. Jochen Eichhorn äußert sich zu Platows Klimakleber-Aktion

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Jochen Eichhorn, Barckhaus Rechtsanwälte: „Nach derzeit herrschender Auffassung in der Rechtsprechung ist das weder strafbar noch sittenwidrig.“
 

Zumindest eines hat Alfred Platow geschafft: Seine Fondsgesellschaft Ökoworld ist in aller Munde. Zur Erinnerung: Vergangene Woche hatte Platow angekündigt, die Ökoworld würde die Strafzahlungen der sogenannten Klimakleber übernehmen. Nach heftigen Protesten zog der Vorstandschef sein Angebot aber wieder zurück. „Es war oder ist in keiner Weise meine Intention, zu Straftaten anzustiften, einen Freibrief für Straftaten auszustellen oder das Gesetz zu relativieren“, zeigte er sich reumütig. Sein Ziel sei es lediglich gewesen, Proteste für den Klimaschutz und die aus seiner Perspektive mutigen Klimaaktivisten zu unterstützen.

Die in der nun angestoßenen Diskussion aufgeworfenen Fragen sind dennoch spannend: Hätte sich Platow mit seiner Aktion womöglich selbst einer Straftat oder der Anstiftung dazu schuldig gemacht? Und hätte er dafür ungestraft Geld des Unternehmens verwenden dürfen, das ja nicht ihm, sondern den Aktionären gehört? FONDS professionell ONLINE hat den Juristen Jochen Eichhorn um eine Einschätzung gebeten. Der Partner der Kanzlei Barckhaus Rechtsanwälte aus Frankfurt ist seit mehr als 25 Jahren spezialisiert auf die Beratung und Interessenvertretung im Bank- und Finanzdienstleistungsrecht.


Herr Eichhorn, ist die Begleichung einer Geldstrafe durch einen Dritten wie die Ökoworld rechtlich zulässig?

Jochen Eichhorn: Nach derzeit herrschender Auffassung in der Rechtsprechung ist das weder strafbar noch sittenwidrig. Das hat etwa der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 7. November 1990 (Az. 2 StR 439/90) klargestellt. Allerdings ist diese Einschätzung in der juristischen Fachliteratur aus kriminalpolitischen Gründen nicht unumstritten. Hintergrund dafür ist, dass damit die Sanktions- und Abschreckungswirkung gegenüber Straftätern durch Dritte aufgehoben wird. Das geht so weit, dass einige Juristen fordern, die hier relevante Vorschrift zur Strafvereitelung in Paragraf 258 Strafgesetzbuch (StGB) dahingehend zu erweitern, dass auch die Strafvereitelung durch Zahlung fremder Geldstrafen davon erfasst wird.

Ist dann die Ankündigung der Übernahme von Geldstrafen letzten Endes nicht eine Anstiftung? Nach dem Motto „Wenn jemand zahlt, kann ich ruhig gegen das Gesetz verstoßen…“?

Eichhorn: Die vor einer Tat erfolgte Zusage eines Dritten, eine spätere Geldstrafe zu übernehmen, kann nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur tatsächlich eine psychische Unterstützung des Täters sein – und damit eine Beihilfe zur Haupttat. Allerdings wird eingeschränkt, dass es nicht ausreiche, wenn der Täter sich rein subjektiv bestärkt fühlt. Vielmehr müsse er sich aufgrund der Zusage, dass jemand die Strafzahlung übernimmt, auch objektiv bestärkt fühlen. Im konkreten Fall der Klimaaktivisten heißt das wohl: Es müsste nachweisbar sein, dass ein Aktivist gerade wegen dieser Zusage eine strafbare Handlung ausübt. Zudem setzt Beihilfe einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus. Das wird hier im Einzelfall meines Erachtens nicht leicht nachzuweisen sein.

Alfred Platow, der die Zahlungen angekündigt hatte, bevor er zurückruderte, ist Chef einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Dürfte ein Vorstand einer Aktiengesellschaft überhaupt so mit dem Geld seiner Aktionäre umgehen?

Eichhorn: In Betracht käme hier die strafrechtliche Sanktionierung eines solchen Verhaltens als eine sogenannte Veruntreuung von Gesellschaftsmitteln der Aktiengesellschaft laut Paragraf 266 StGB. Allerdings wird man im Ergebnis kaum dazu kommen können, dass eine solche Veruntreuung vorliegt. Dafür müsste der Ökoworld AG mit der Zusage ein Nachteil zugefügt werden und es müsste ausgeschlossen werden können, dass die Zusage an die Klimaaktivisten, deren Strafen zu übernehmen, durch Vermögensinteressen des Unternehmens gerechtfertigt ist. Hier könnte die Unternehmensleitung versuchen, dies als Werbemaßnahme zu rechtfertigen. Dies wird man nicht ohne Weiteres in Abrede stellen können. Einschränkend muss ich bei all diesen Einschätzungen aber hinzufügen, dass ich die Einzelheiten des Falls nicht kenne. Meine Einschätzungen sind daher nicht das Ergebnis einer fundierten rechtlichen Prüfung, weshalb ich dafür auch keine Haftung übernehmen kann.

Stellt die Ankündigung nicht auch ein Reputationsrisiko für die Gesellschaft dar? Ökoworld ist ein Fondsanbieter und Finanzdienstleister, dessen Erfolg auch auf seinem guten Ruf beruht.

Eichhorn: Ja, durchaus, wie der Rückzug dieses Angebotes zeigt. Dennoch sollte man beachten, dass die Ökoworld AG mit dieser Ankündigung zumindest in der Öffentlichkeit ins Gespräch kam und dann durch den Rückzug Einsichtsfähigkeit zeigen konnte. Werbetechnisch ist dies vielleicht nicht ungeschickt. Da bin ich aber kein Fachmann.

Vielen Dank für Ihre Einschätzung. (jb/bm)

 

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Dr. Jochen Eichhorn
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